Prof. Dr. Andrew Ullmann

Die Bundesregierung vergisst die Seltenen

Prof. Dr. Andrew Ullmann (Obmann FDP-Bundestagsfraktion im Gesundheitsausschuss): „Die große Gruppe seltener Erkrankungen, von denen jede einzelne nur wenige Menschen betrifft, die in ihrer Gesamtheit jedoch so häufig wie eine Volkskrankheit sind, ist von großer Bedeutung für das Gesundheitswesen und unsere Gesundheitspolitik. Das ist der Bundesregierung offensichtlich nicht bewusst – das geht aus ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage zu seltenen Erkrankungen hervor. Darin windet sie sich und duckt sich vor konkreten Antworten. Selten heißt für die Bundesregierung wohl vergessen, obwohl in Deutschland mehr als vier Millionen Menschen an einer der etwa 6.000 bis 8.000 seltenen Erkrankungen leiden.

Die Seltenheit der einzelnen Erkrankungen stellt alle Betroffenen vor große Herausforderungen, denn sie erschwert sowohl die medizinische Versorgung der Betroffenen, als auch die Forschung zur Verbesserung von Diagnose und Therapie. Dennoch geht die Bundesregierung von einer günstigen Versorgungslage für Menschen mit seltenen Erkrankungen aus. Ja, es ist schon viel erreicht worden für die Betroffenen, aber von einer günstigen Versorgungslage kann man noch lange nicht sprechen. Um das zu erreichen, gibt es noch viel tun. Die unkoordinierten Maßnahmen der Bundesregierung werden wohl nicht sonderlich viel dazu beitragen.“

Jeder verdient eine gute medizinische Versorgung

Ullmann: „Wir brauchen Veränderungen an vielen Stellen des Gesundheitswesens, damit Menschen mit seltenen Erkrankungen besser versorgt werden. Allen voran müssen wir die Sektorengrenzen abbauen, denn insbesondere bei den seltenen Erkrankungen werden die Probleme der herrschenden Sektorengrenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung deutlich. Die Erstversorgung findet meistens in den jeweiligen stationären Zentren statt, die Weiterversorgung erfolgt jedoch ambulant. Die ambulanten Vergütungsvorgaben und das Informationsdefizit erschweren die weitere Behandlung. Hier fordern wir eine grundlegende Strukturreform zum Wohle des Patienten.“

Daten für Forschung nutzbar machen

Ullmann: „Außerdem müssen wir Daten für die Forschung nutzbar machen. Mit einer standardisierten Erfassung von Daten in der elektronischen Patientenakte hätte man erstmals ein wichtiges Grundgerüst für die Forschung. Aufgrund der geringen jeweiligen Fallzahl ist es insbesondere bei den seltenen Erkrankungen wichtig, dass diese Daten der Forschung gespendet werden. Dabei sollte auch die private Forschung in die Nutzung mit einbezogen werden. Der Datenschutz muss dabei durch Anonymisierung bzw. Pseudonymisierung selbstverständlich bedacht werden. Weiter ist es auch nötig, die Vernetzung in Forschung und Behandlung zu verbessern. Das sollte nicht nur, aber auch und zunächst einmal, auf nationaler Ebene geschehen; dann aber auch in europäischer und letztlich globaler Kooperation. Zudem müssen wir das Embryonenschutzgesetz novellieren, um die Voraussetzungen für moderne Forschung und Therapie genetisch bedingter seltener Erkrankungen zu schaffen.“